Pranayama: Alles zu Atemübungen im Yoga

Pranayama: Alles zu Atemübungen im Yoga

Beim Wort „Yoga“ denken die wenigsten an die yogischen Atemübungen, Pranayama. Schade – denn Pranayama hat viel zu bieten. Hier erfährst du alles über Wirkung, Hintergrund und Ausführung.

Inhaltsverzeichnis

Die Yogaschriften betonen die Wichtigkeit von Pranayama aus gutem Grund: Durchschnittlich 12 bis 16 Mal atmet ein erwachsener Mensch pro Minute – das sind rund 17’000 bis 23’000 Mal pro Tag! Der Atem versorgt Körper und Geist mit Sauerstoff und – so die yogische Sicht der Dinge – mit Lebensenergie, Prana. Doch die meisten Menschen nutzen nicht die volle Lungenkapazität und können so weniger Sauerstoff und Lebensenergie aufnehmen. Die Folge: Erschöpfung und Müdigkeit. Stress, Schmerzen, Anstrengung, schlechte Haltung sind nur einige Gründe, warum Menschen in eine flache Atmung verfallen. Yoga ist also eine prima Gelegenheit, bewusstes und korrektes Atmen wieder zu erlernen.

Mit Pranayama die Lebensenergie zum Fliessen bringen

Pranayama setzt sich zusammen aus „prana“ und „ayama“. „Prana“ bezeichnet im Yoga die Lebensenergie, „ayama“ heisst so viel wie „zur Entfaltung bringen“. Pranayama bedeutet also so viel wie die „Lebensenergie zum Fliessen bringen“. Tönt kompliziert, ist es aber nicht. Sehr vereinfacht gesprochen verfügt der Körper über Energieleitbahnen, die Nadis. Durch bewusste Atemübungen können wir die Energie über diese Leitbahnen verteilen und dabei auch allfällige Blockaden auflösen.

„Dort, wo der Geist hingeht, dort geht auch Prana hin.“​

In der Hatha Yoga Pradipika, einer wichtigen Yogaschrift, heisst es: „Dort, wo der Geist hingeht, dort geht auch Prana hin.“ Das heisst: Die Energie folgt dorthin, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken. Im Alltag passiert das Atmen unbewusst. Mit den yogischen Atemübungen können wir also ganz bewusst atmen und so auf die Energie einwirken.

Für was ist Pranayama gut?

Ganz einfach gesprochen: für alles! Die yogischen Atemtechniken wirken intensiv auf Körper, Geist und Seele. Auf körperlicher Ebene unterstützen einzelne Pranayamas die Verdauung. In erster Linie verbessert das bewusste Atem aber die Sauerstoffversorgung. So kann das Gesamtsystem Körper besser arbeiten. Insbesondere Atemübungen mit langem Ausatmen wirken beruhigend auf das Nervensystem und helfen so bei einer Vielzahl von Zivilisationskrankheiten wie beispielsweise Schlafstörungen, Stress oder hoher Blutdruck. Das schlägt sich dann auch aufs Gemüt nieder. Regelmässiges Üben von Pranayama wirkt ausgleichend und harmonisierend.

„„Pracchardana vidharanabhyam va pranasya“ – „Durch kontrolliertes Ausatmen wird der Geist ruhig.“

Wie Pranayama auf den Geist wirkt, beschreibt der Weise Patanjali in den Yoga Sutras, der ältesten systematischen Abhandlung über Yoga: „„Pracchardana vidharanabhyam va pranasya“ – „Durch kontrolliertes Ausatmen wird der Geist ruhig.“ Mehr dazu findest du im Blogpost: „Wenn der Atem still ist, stopp das Gedankenkarussel“. 

Tipps zum Üben von Pranayama

  • Atme durch die Nase: Bis auf wenige Ausnahmen wird bei Pranayama durch die Nase ein- und ausgeatmet.
  • Sitzposition: Setze dich so, dass du mühelos aufrecht sitzen kannst. Spoiler: Es muss nicht der Lotussitz sein. Richte dich gut ein, nutze auch ein Kissen, um dein Becken leichter aufrichten zu können. Wenn Sitzen auf dem Boden keine Option für dich ist, dann sind der Stuhl oder eine Meditationsbank eine Option. Mehr zum Thema Sitzen findest du im Blogpost: „Das aufrechte Sitzen oder: von Blöcken, Kissen und Bänken“
  • Bleib weich: Versuche, deinen Atem liebevoll zu lenken, aber nicht zu zwingen. Das gilt ganz besonders für Übungen mit Atemrückhalt, Khumbaka. Arbeite mit deinem Atem, nicht gegen ihn. Wenn du in Kurzatmigkeit, explosionsartiges Ausatmen oder Stress verfällst, dann mache eine Pause und nimm die Praxis dann langsam wieder auf. Denk dran: Angaben zu Dauer und Wiederholungen sind Richtwerte, die dich unterstützen und nicht stressen sollen!
  • Hör auf deinen Körper: Beim Pranayama geht es nicht darum, um jeden Preis eine vorgegebene Anzahl von Wiederholungen zu schaffen. Fang klein an, steigere dich langsam und vor allem: Spüre jederzeit, wie die Übung wirkt. Das gilt insbesondere für aktivierende Übungen wie Kaphalabati oder Bhastrika. Schwindel ist definitiv ein Zeichen, eine Pause einzulegen!
  • Arbeite mit einer Lehrperson: Am besten erlernst du die Übungen unter Anleitung und Aufsicht einer erfahrenen Lehrperson. Das gilt insbesondere für fortgeschrittene Techniken, die stark aktivierend wirken wie beispielsweise Kaphalabati und Bhastrika und falls du schwanger bist oder körperliche Einschränkungen hast.
  • Die beste Zeit zum Üben: Gibt es nicht. Grundsätzlich gelten – wie für Meditation und Asanapraxis auch – die Zeit vor dem Sonnenaufgang und nach dem Sonnenuntergang für Atemübungen als geeignet. Aber bitte stresse dich nicht. Baue Pranayama so in deinen Alltag ein, dass es für dich stressfrei möglich ist. Vermeide einfach aktivierende Übungen am Abend – ausser, du möchtest Party machen gehen oder hast Nachtschicht…
Frau übt in Schwangerschaft Pranayama und Yoga.

Pranayama in Schwangerschaft und Rückbildung

Auch schwanger oder nach der Geburt deines Kindes kannst – und solltest du! – Atemübungen machen. Für die Schwangerschaft gilt: Kein Atemrückhalt, Khumbaka. Halte deinen Atem nie an. Intensive Übungen wie Bhastrika und Kaphalabati sind ebenfalls nicht zu empfehlen. Konzentriere dich auf ausgleichende Atemübungen wie Ujjayi, die vollständige Yogaatmung oder die Wechselatmung. Nach der Geburt unterstützt dich Pranayama bestens in der Rückbildung, denn durch Schwangerschaft und Geburt wird die Atemmuskulatur stark in Mitleidenschaft gezogen. Verzichten würde ich in den ersten Monaten auf Übungen, die stark Druck auf deinen Beckenboden ausüben. Dazu gehört beispielsweise Kaphalabati.

Pranayama vor oder nach der Meditation?

Bleibt noch die Frage, wo du Pranayama in deiner Yogapraxis einordnen möchtest. Häufig wird zum Einstieg eine Atemübung gemacht. Im Gegensatz dazu steht eine gängige Empfehlung, Pranayama nach Asanas und vor der Meditation zu machen. Persönlich finde ich ein paar Momente der Atemachtsamkeit oder Übungen wie Ujjayi und die Wechselatmung eine gute Möglichkeit, auf der Matte anzukommen und dann im Anschluss körperliche Stellungen und/oder Meditation zu üben. Für eine intensive Pranayama-Praxis – damit meine ich intensive Übungen wie Bhastrika, längeren Atemrückhalt und/oder eine Dauer von mindestens 30 Minuten – ist es jedoch durchaus sinnvoll, den Körper erst durch Asanas vorzubereiten.

Frau atmet draussen durch.

Die wichtigsten Atem-Übungen im Überblick

Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von Atemübungen: Übungen, die eher beruhigend wirken und Übungen, die eher anregend wirken. Hier findest du ein paar klassische Übungen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne sehr detaillierte Übungsanweisungen.

Yogische Vollatmung

Bei der yogischen Vollatmung, auch vollständige Yogaatmung genannt, geht es darum, alle drei Atemräume zu nutzen: Bauch, Brustkorb und den Bereich unter den Schlüsselbeinen. Erst den Bauch, dann den Brustkorb und zuletzt den Bereich unter den Schlüsselbeinen mit Luft füllen und in der gleichen Reihenfolge wieder leeren. Die vollständige Yogaatmung wirkt beruhigend und unterstützt dabei, die volle Atemkapazität zu nutzen.

Ujjayi

Ujjayi hat ein bisschen etwas von Meeresrauschen. Bei dieser Technik wird die Stimmritze etwas verengt – so, als würdest du die Luft durch einen kleinen Spalt im Hals „quetschen“ wollen. Dadurch entsteht ein sanftes Geräusch, das an Meeresrauschen erinnert. Stell dir vor, du möchtest an einen Spiegel hauchen – Ujjayi funktioniert genauso, einfach mit geschlossenem Mund und beim Ein- und Ausatmen. Ujjayi wird in manchen dynamischen Yogastilen während der gesamten Praxis geübt. Ujjayi wirkt beruhigend. 

Wechselatmung

Ein Klassiker – und eine meiner Lieblingsübungen. Das Grundprinzip ist einfach: Durch ein Nasenloch einatmen und durch das andere aus. Dazwischen – je nach Variante – die Luft kürzer oder länger angehalten. Der Rhythmus kann variieren. Häufig wird das Verhältnis 1-4-2 angewendet. Das bedeutet: Wenn du 4 Sekunden einatmest hältst du 16 Sekunden die Luft an und atmest 8 Sekunden aus. Die Wechselatmung wirkt harmonisierend und entspannend. 

Shitali und Shitkari

Shitali und Shitkari sind prima Übungen für den Sommer, denn sie wirken kühlend. Eingeatmet wird mit offenem Mund über die gerollte Zunge (Shitali), ausgeatmet durch die Nase mit geschlossenem Mund. Du kannst die Zunge nicht rollen? Kein Problem, übe einfach Shitkari. Das Prinzip ist das Gleiche, einfach „klappst“ du deine Zunge nach oben und atmest durch die Seiten der Zunge ein.

Bastrika

Bastrika heisst auch „Blasebalg“-Atmung. Warum? Weil diese Atemtechnik an einen Blasebalg erinnert. Das Ein- und Ausatmen erfolgt durch Bewegen der Bauchdecke – wie ein Blasebalg eben. Diese Übung ist sehr fordernd, wirkt stark aktivierend – und ist nichts in Schwangerschaft und zu Beginn der Rückbildung.

Kaphalabati

Kaphalabati heisst so viel wie „leuchtender Schädel“ und ist eine sehr intensive Übung. Bist du müde? Dann ist Kaphalabti dein Wachmacher. Beim Kaphalabati wird mit kurzen, rhythmischen Luftstössen ausgeatmet – ein bisschen so, wie wenn dir etwas in die Nase fliegt und du es schnell loswerden möchtest. Kaphalabati ist in Schwangerschaft und zu Beginn der Rückbildung nicht geeignet.

Brahmari

Brahmari ist eine prima Übung, um den Geist zu beruhigen. Schliesse die Augen, hebe dir sanft die Ohren zu und summe beim Ausatmen wie eine Biene. Du wirst sehen – ein paar Runden und du fühlst dich frisch und entspannt.

Natürlich kannst du diese klassischen Übungen auch abwandeln. 3 Ideen dafür findest du im Blogpost „Pranayama mal anders – 3 inspirierende Atemübungen“.

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Katharina Balande

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