Wenn der Atem still ist, stoppt das Gedankenkarussell

Wenn der Atem still ist, stoppt das Gedankenkarussell

Der Atem und der Geist sind eng verbunden: Ist einer ruhig, ist es der andere auch. Der Weise Patanjali empfiehlt in den Yoga Sutras deshalb das bewusste Atmen, um den Geist zu beruhigen. Was das genau heisst, zeige ich dir anhand eines Beispiels.

„Pracchardana vidharanabhyam va pranasya“ – „Durch kontrolliertes Ausatmen wird der Geist ruhig.“ 

(Yoga Sutras, 1. 34)

Dieses Yoga Sutra kannte ich unbewusst schon, bevor ich mich mit Yoga befasste. Ich spiele Querflöte und Saxophon – zwei Instrumente, bei denen der Atmen eine zentrale Rolle spielt. Warum ich das Sutra so gut kenne, veranschauliche ich an diesem Beispiel:

Ich spiele ein Stück, bei dem es eine herausfordernde Stelle gibt. Natürlich erinnere ich mich jedes Mal, wenn ich an diese Stelle komme, dass sie herausfordernd ist. Häufig passiert dann Folgendes: Noch bevor die erste Note erklingt, wird der Geist unruhig: „Oh je, so schwer.“ „Hoffentlich klappt es dieses Mal besser.“ „Das hab ich schon hundertmal geübt.“ Und so weiter und so weiter. Was passiert? Richtig, ich mache wieder einen Fehler, weil mein Geist sich nicht dem Spielen, sondern den Gedankenspiralen widmet. Und vor allem geht mir die Luft aus – ziemlich unpraktisch, bei einem Blasinstrument.

Dem kann ich bestens entgegen wirken, indem ich mich auf eine tiefe Einatmung und dann auf eine gleichmässige Ausatmung konzentriere. Das Ergebnis? Ich kann mich besser aufs Spielen konzentrieren und verfalle nicht der Schnappatmung. 

Durch Yoga das Ausatmen wieder lernen

Du musst keine Musikerin sein, um von diesem Yoga Sutra zu profitieren. Überlege einmal: Wie fühlt es sich an, wenn du Stress hast? Etwa, weil du dich über eine andere Person ärgerst. Oder weil du vielen Verpflichtungen in deinem Kalender nachkommen musst. Das Perfide ist, dass wir im Alltag oftmals nicht merken, wie schnell wir atmen. Eine meiner Yogaschülerinnen sagte einmal zu mir: „Durchs Yoga habe ich das Atmen wieder gelernt. Wenn ich es auf der Arbeit streng habe, nehme ich mir immer einen  Moment, um erst einmal tief ein- und auszuatmen.“

Genau das ist der Punkt: Verlangsame deinen Atmen, lege den Fokus aufs Ausatmen und du wirst innerhalb kürzester Zeit eine Entspannung spüren. Dein Herz schlägt langsamer, deine Gedanken rasen weniger und du kannst dich besser konzentrieren.

Patanjalis Einsicht deckt sich übrigens mit der Erkenntnis der modernen Wissenschaft: Ausatmen aktiviert den Parasympathikus. Der Parasympathikus ist der Teil des Nervensystems, der für Erholung und Regeneration zuständig ist. 

In diesem Sinne: Atme einmal tief ein… und wieder aus!

Gedankenanstösse

  • Nimm dir einen Moment Zeit und spüre in dich hinein. Nimm deinen Atem wahr. Beobachte, ohne etwas zu ändern: Wohin atmest du? Brust? Bauch? Wie schnell ist dein Atem? Wie ist das Verhältnis Einatmen zu Ausatmen? Wo nimmst du den Atem wahr? 
  • Wenn du das nächste Mal eine schwierige Aufgabe, oder etwas anderes, was dich stresst, vor dir hast, nimm dir ein paar Augenblicke. Stelle die Füsse stabil auf den Boden (egal ob du sitzt oder stehst). Nimm dann ein paar tiefe Atemzüge. 
  • Bist du gerade auf 180? Dann versuch es mit dieser Übung: Komme in den Stand, atme durch den offenen Mund aus und beuge dich mit dem Ausatmen nach vorne. Wiederhole das mehrfach und nimmt wahr, wie sich dein Ärger legt.
Cookie Consent mit Real Cookie Banner